Die Situation bei den Beatmungsgeräten im Zeichen der Covid-19 Krise*

Der derzeitige Ausbruch des neu aufgetretenen Coronavirus SARS-CoV-2 wurde am 11. März 2020 von der WHO von einer Epidemie zu einer Pandemie eingestuft.
Die Krankheitszeichen sind vielfältig und reichen in ihrer Schwere von asymptomatischen, bzw. sehr milden Verläufen bis zu schwersten Krankheitsverläufen mit der Notwendigkeit einer maschinellen Beatmung.

Die weltweite Produktion an Beatmungsgeräten in 2019 lag bei ca. 40 000 Geräten. In Italien mussten ca. 10% aller auf das Virus positiv getesteten Patienten intensivmedizinisch behandelt und maschinell beatmet werden. In Deutschland geht man von ca. 6% beatmungspflichtigen Patienten aus.

Die USA haben, als neues Epizentrum der Corona-Pandemie mit aktuell 759 766 Infektionen (Stand 20.04.2020), am 28.03.2020 das Kriegswirtschaftsgesetz „Defense Production Act" („Gesetz zur Militärproduktion“ von 1950) aktiviert. Damit ist es der Regierung erlaubt, Unternehmen zu verpflichten, kriegswichtige Güter zu produzieren. Inzwischen werden Beatmungsgeräte und Schutzkleidung sowie -masken in USA als kriegswichtige Güter deklariert. Im Fokus stand der Autobauer General Motors, der gemeinsam mit dem Spezialisten für Medizintechnik Ventec dringend benötigte Beatmungsgeräte produzieren soll.

In Deutschland prüft u.a. Volkswagen, ob sie medizinische Geräte herstellen können und hat dafür eine Taskforce gegründet. Diese soll eruieren, ob die 3D-Drucker von Volkswagen und anderen Autoherstellern genutzt werden können, um Kunststoffteile für Beatmungsgeräte herzustellen. Da Beatmungsgeräte von Profiherstellern aus bis zu 1 500 Teilen bestehen und Einzelkomponenten von Zulieferern aufgrund der allgemeinen Abschottung knapp werden, könnte dies ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Auf ähnliche Lösungssuche haben sich auch die Autohersteller Tesla und Daimler, der Staubsaugerhersteller Dyson sowie diverse Luftfahrtkonzerne begeben. Wie der Spiegel vom 28.03.2020 schreibt, ist der Verein der Deutschen Ingenieure skeptisch, ob die sehr komplexen Beatmungsgeräte tatsächlich von branchenfremden Firmen nachgebaut werden können. Es fehlt das Knowhow – meist stecken jahrzehntelange Entwicklungsprozesse hinter den professionellen Endprodukten.

Um diesen Problemen zu begegnen haben sich einige Firmen zu Konsortien – branchenübergreifenden Konzernteams – zusammengefunden. Sie bündeln darin ihr Wissen und ihre Erfahrungen und konzentrieren sich darauf, weniger komplizierte Beatmungsgeräte zu entwickeln. Beispiele für solche Konsortien finden sich in Großbritannien mit der Firma Meggitt, die Sauerstoffsysteme für Flugzeuge baut, und McLaren, die geübt im Prototypenbau sind. Auch Hochschulen beteiligen sich an der allgemeinen Hilfestellung. So wollen beispielsweise die Oxford Universität und das Kings College den Prototypen eines simplen Beatmungsgerätes anmelden, welches aus einem Gummisack mit Atemmaske besteht.

Schnell sollen auch branchenfremde Industrien fit gemacht werden, dringend benötigte Medizintechnik und -produkte herzustellen. Um verfügbare Fertigungskapazitäten mit der gebotenen Medtech-Expertise zusammenzubringen, hat der Industrieverband Spectaris daher eine Matchmaking-Plattform aufgebaut. Hier werden die zu einem großen Teil branchenfremde Unternehmen aufgelistet, die ihre Unterstützung bei der Produktion von Medizintechnik angeboten haben.

Munich Re und Fraunhofer haben gemeinsam eine weltweite „Give a Breath“-Challenge mit einem Funding von mindestens 1 Million Euro ausgerufen. Ziel ist, Ideen und Lösungen für eine dezentrale Notfallbeatmung von Covid-19-Patienten zu finden. Es sollen die besten 3D-druckbaren Designs und Blaudrucke zur sofortigen Produktion von Notfallbeatmungsgeräten ermittelt werden.

Passend dazu entwickeln Marburger Forscher schnell und günstig herzustellende Beatmungsgeräte. Für die Erstversorgung schwerster Fälle seien die zwar nicht geeignet, wohl aber für Erkrankte auf dem Weg der Besserung. Klinische Beatmungsplätze könnten so wieder für akute Fälle freigemacht werden. Und gerade in armen Ländern fehlten solche Intensiv-Beatmungsplätze weitestgehend.

Es gibt auch originelle Lösungswege. Das Evangelische Krankenhaus Oldenburg konnte adhoc zehn weitere Beatmungsbetten aufbauen, indem es Klinikversionen von Heimrespiratoren einsetzt. Eine CPAP-Atemhilfe, die Covid-19-Patienten von der Intensivstation fernhalten kann, wurde von Maschinenbauingenieuren, Medizinern und dem Formel-1-Team von Mercedes in weniger als 100 Stunden entwickelt und mittlerweile in großem Umfang in Italien und China eingesetzt. Wenn ein branchenfremder Anbieter Beatmungsgeräte zur Verfügung stellen kann, werden sie bei dem zu erwartenden dringenden Bedarf auch ohne CE eingesetzt, selbst wenn sie nicht auf dem allerneuesten Stand der Technik sind, ist sich ein hierzu befragter Experte sicher.

Doch ganz so einfach, wie sich viele Politiker dies vorstellen, geht es leider nicht. Denn bei aller gebotener Eile mehren sich die Stimmen der Mahner, nicht alle regulativen Aspekte über Bord werfen zu können. Das eigentliche Problem bei der Versorgung der Patienten ist zurzeit nicht der Mangel an Beatmungsgeräten, sondern vielmehr die limitierte Personalkapazität, wie Tobias Welte, Leiter der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und einer der profiliertesten deutschen Experten für Intensiv- und Infektionsmedizin berichtet.

* Stand 1. April 2020

Zitierweise:
Menke W, Kindler M (Hrsg): Medizinproduktegesetz - MPG, 30. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg

 

 

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