Folgen eines Verstoßes gegen die wirtschaftliche Aufklärungspflicht

J. Daunderer

Wenn ein Arzt nicht über die anfallenden Kosten aufgeklärt hat, können sich auch wirtschaftliche Folgen für den Arzt ergeben. Es kann dann zu einem Anspruch des Patienten auf Befreiung von seiner Kostentragungspflicht für die Heilbehandlung kommen. Dies geschieht rechtlich gesehen dadurch, dass der Schadenersatzanspruch, der dem Patienten in Folge der Pflichtverletzung zusteht, mit dem Gebührenanspruch des Arztes verrechnet wird.
Faktisch kann somit im Falle einer Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht der Vergütungsanspruch des Arztes gegenüber dem Patienten entfallen. Hierbei ist zwischen den Systemen privatversicherter Patienten (PKV) und gesetzlich versicherter Patienten (GKV) zu unterscheiden. Die Rechtsprechung handhabt solche Fälle aber zumeist „mit Augenmaß“. Da es bei der medizinischen Heilbehandlung rechtlich gesehen um Dienstvertragsrecht geht, ein bestimmter Erfolg also nicht erbracht werden muss – auch nicht bei einer OP – bleibt der Patient auch im Falle eines Behandlungsfehlers zunächst erst einmal verpflichtet, die angefallenen Behandlungskosten zu tragen. Die Praxis zeigt, dass es häufig dann zu Problemen wegen fehlerhafter wirtschaftlicher Aufklärung kommt, wenn der Arzt Wunschleistungen gegenüber Kassenpatienten erbringt.

Exkurs:

Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, werden Diagnose- und Behandlungsmethoden genannt, die nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Diese übernehmen grundsätzlich die Kosten nur für anerkannte, medizinisch notwendige Maßnahmen und Therapien. Dazu gehören IGeL ausdrücklich nicht. Es handelt sich hierbei um „Wunschleistungen“, die von Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Probleme ergeben sich hier in der Praxis häufig auch bei

  • ärztlichen Abrechnungen deutlich oberhalb der ansonsten üblichen Sätze,
  • Analogabrechnungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), oder
  • der Abrechnung von Neuland- und/oder Außenseitermethoden.


Bei „Standardmaßnahmen“, welche innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (im sogenannten Sachleistungsprinzip) regelhaft vergütet werden oder bei allgemein üblichen, anerkannten und von den privaten Krankenversicherern regelhaft erstatteten Leistungen, spielt das Thema zumeist keine Rolle, da der Arzt dort in der Regel auch keine spezielle wirtschaftliche Aufklärung schuldet. Beantwortet der Arzt allerdings hier Nachfragen des Patienten zu den Kosten falsch oder gar in Täuschungsabsicht, ohne auf etwaige ihm bekannte Besonderheiten hinzuweisen, geht er auch dort das Risiko ein, wegen eines Verstoßes seiner wirtschaftlichen Aufklärungspflicht seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Patienten (PKV) oder der Kasse (GKV) zu verlieren.

Beispiel:
(angelehnt an BGH, Urteil vom 01.02.1983 VI ZR 104/81)

Privatpatient P sucht Chefarzt C im Krankenhaus auf, da er über erhebliche Schmerzen am rechten Hüftgelenk und über Gehbeschwerden klagt. C stellt eine Hüftgelenksarthrose fest und weist P. zur stationären Heilbehandlung ein. Dort erhält dieser Dragee Dona 200 und Amuno 25 täglich sowie Paraffin-Fango-Packungen an der rechten Hüfte und eine Leberschutztherapie in Form von Infusionen trotz normaler Leberwerte. Die Krankenversicherung des P lehnt die Übernahme der Kosten ab, weil eine stationäre Behandlung nicht medizinisch notwendig gewesen sei.

Es stellte sich die Frage, ob C über die Gefahr der Nichtübernahme durch die Krankenkasse hätte hinweisen müssen.

Bei einem Privatpatienten muss der Arzt davon ausgehen, dass dieser eine private Krankenversicherung abgeschlossen hat und dass diese im Rahmen des Versicherungsvertrages nur die Kosten für notwendige Behandlungen erstattet. Ist die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthaltes erkennbar zweifelhaft, muss der Patient darauf hingewiesen werden, dass der Krankenversicherer die Kosten möglicherweise nicht übernimmt. Im vorliegenden Fall gab es keine Indikation für die Leberschutztherapie, sodass diese den stationären Aufenthalt nicht rechtfertigen konnte. Auch die Gabe von Kapseln und Paraffin-Fango-Packungen machen einen stationären Aufenthalt nicht erforderlich. C hätte P hierüber informieren müssen.
Der Arzt (bzw. die Klinik) muss P daher Schadensersatz in Höhe der Mehrkosten, die ihm durch den stationären Aufenthalt entstanden sind, zahlen.

Beispiel:
(nachgebildet BGH-Urteil vom 01.02.1983 – VI ZR 104/81)

Privatpatient P befindet sich für 12 Tage in stationärer Behandlung (Kosten: 21.000,- Euro). In dem Krankenhaus befindet sich sowohl eine Privatklinik als auch ein Plankrankenhaus.
Die Privatklinik wusste, dass die Krankenkasse die Kosten nicht komplett erstattet. Im Plankrankenhaus hätte P vom gleichen Arzt behandelt werden können, wobei jedoch nur die Kosten nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) angefallen wären (8400,- Euro). Diese entsprechen denen einer gesetzlich versicherten Person. Da die Klinikmeinen Wissensvorsprung hatte, hätte sie hierauf hinweisenmmüssen. Dabei reicht es auch nicht pauschal eine Rücksprache mit dem Krankenversicherer zu empfehlen. Hier müsste auch auf die Umstände hingewiesen werden, die Grund für die unsichere Kostenübernahme sind.

Der Patient kann deshalb die Differenz (12.600,- Euro) zurückverlangen.

 


Zitierweise:
Daunderer J (2019): Folgen eines Verstoßes gegen die wirtschaftliche Aufklärungspflicht. In: Weber HJ, Chasklowicz A, Daunderer J, Rehmsmeier J (Hrsg): Ärztliche Aufklärungspflichten – Wie müssen Ärzte wann und worüber aufklären. ecomed Medizin, Landsberg

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