2021-02-03 Risiken im Behandlungsverhältnis

C. Klein, J.-M. Zeller

Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus dem Buch "Strafrechtliche Risiken des Arztes".

Der Heileingriff als Körperverletzung gemäß § 223 StGB
Die Strafandrohung für einfache Körperverletzung gemäß § 223 StGB beträgt bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Liegt eine gefährliche (§ 224 StGB) oder gar schwere (§ 226 StGB) Körperverletzung vor, erhöht sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich von der Maxime aus, dass behandelnde Ärzte die Art und Weise ihrer Behandlung am Wohle des Patienten orientieren, so dass eine bewusste und vorsätzliche Körperverletzung selbst bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes häufig fernliege. Die seltenen Fälle einer vorsätzlich begangenen Körperverletzung durch einen Arzt werden daher im Folgenden ausgespart. Für den Mediziner stellt sich die praktisch besonders relevante Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen aus einem durchgeführten Heileingriff der strafrechtliche Vorwurf der einfachen Körperverletzung erwachsen kann. Der Tatbestand der Körperverletzung § 223 StGB unterscheidet zwischen "körperlicher Misshandlung" und "Gesundheitsbeschädigung".

Jeder Heileingriff ist eine Körperverletzung
Der ärztliche Heileingriff ist nach der Dogmatik der Rechtsprechung per se eine strafrechtliche Körperverletzung, unabhängig davon, ob der Heileingriff kunstgerecht und/oder erfolgreich durchgeführt wurde.

Das bedeutet, dass jeder (minimal)invasive Eingriff das Merkmal der "körperlichen Misshandlung" (z.B. Vorenthaltung von Schmerzmitteln kann körperliche Misshandlung durch Unterlassen sein) oder jedes Hervorrufen oder Steigern eines nicht ganz unerheblichen pathologischen Zustandes das Merkmal der "Gesundheitsbeschädigung" erfüllt (bspw. Vergabe von Lexotanil an tablettenabhängige Patientin ohne Prüfung der Indikation; oder Gammabestrahlung in deutlich überhöhter Dosis zur Tumorvernichtung).

Aufklärung und Einwilligung
Eine Strafbarkeit des handelnden Arztes soll nur dann ausscheiden, wenn der Patient in den Heileingriff wirksam eingewilligt hat und der Arzt dadurch in strafrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt handelt. Diese Rechtsprechung, die gleichsam umstritten wie scheinbar unantastbar ist, stärkt mit dieser Dogmatik das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Eine Strafbarkeit des Arztes soll somit dann nicht vorliegen, wenn der aufgeklärte Patient in Kenntnis aller wesentlichen Umstände in den Heileingriff einwilligt.

Eine wirksame Einwilligung setzt eine wirksame Aufklärung voraus. Die Frage nach der Aufklärung und der Einwilligung ist daher im Bereich der strafrechtlichen Körperverletzung von zentraler Bedeutung. Es gibt eine aus dem Zivilrecht entwickelte umfangreiche Kasuistik zu Detailfragen betreffend Aufklärungsmängel, die an dieser Stelle nicht dargestellt werden kann. Ob der behandelnde Arzt fehlerhaft aufgeklärt hat und/oder ob eine unwirksame Einwilligung seines Patienten vorliegt, muss jeweils einer Einzelfallprüfung vorbehalten bleiben.

Der behandelnde Arzt muss einige wesentliche Aspekte der Aufklärung in seiner täglichen Arbeit beachten, um sich vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Strafverfolgung tritt ohnehin nur ein, wenn sich ein Körperverletzungsrisiko verwirklicht hat, welches gerade durch eine formgerechte Aufklärung vermieden werden soll (sog. Schutzzweck der Aufklärung). Mit dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann der Arzt die Beweisführung der Strafverfolgungsbehörden, die ihm den Mangel nachzuweisen haben, im Keim ersticken. Das seit dem 26. Februar 2013 geltende zivilrechtliche Patientenrechtegesetz (PatientenRG) statuiert Form und Inhalt der Aufklärung in § 630 e BGB. Der Arzt muss über die erkennbar für die Entscheidung des Patienten medizinisch bedeutsamen Umstände aufklären, so dass dieser "im Großen und Ganzen" weiß, worin er einwilligt. Das heißt von der Aufklärung müssen umfasst sein:

  • Diagnose,
  • Verlauf und
  • Risiko.

Für die Frage, ob eine wirksame Einwilligung vorliegt, gilt immer:

  • Eine wirksame Einwilligung bezieht sich nur auf einen lege artis durchgeführten Eingriff.  
  • Eine durch Täuschung (z.B. Angabe eines falschen Verwendungszwecks bei einer Blutentnahme), Drohung oder Zwang veranlasste Einwilligung ist unwirksam.
  • Partielle Aufklärungsdefizite machen, unabhängig davon, ob sich ein aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht oder nicht, den ärztlichen Eingriff insgesamt mangels ausreichender Einwilligung rechtswidrig.
  • Einwilligungen in sittenwidrige Eingriffe sind unwirksam, diese Eingriffe sind per se rechtswidrig.

 

Zitierweise:
Klein C, Zeller JM (2021): Risiken im Behandlungsverhältnis. In: Strafrechtliche Risiken des Arztes. Risiken innerhalb und außerhalb des Behandlungsverhältnisses, Richtiges Handeln gegenüber den Justizbehörden. ecomed Medizin, Landsberg


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