Alkoholabhängigkeit: Therapieziel Abstinenz versus Kontrolliertes Trinken. Metaanalytische Erkenntnisse und praktische Schlussfolgerungen

Anna M. Kleemann, Tom Bschor

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Den kompletten Artikel können Sie in unserer Zeitschrift "Suchtmedizin" lesen.

Zusammenfassung:

Bei kaum einer anderen psychischen Erkrankung liegen die Anzahl der Betroffenen und die Anzahl derer, die eine Behandlung erhalten, so stark auseinander wie bei der Alkoholabhängigkeit. Der traditionelle Fokus auf Abstinenz als Behandlungsziel könnte einen möglichen Grund für diese Behandlungslücke darstellen – neue Behandlungsansätze wissenschaftlich zu evaluieren, ist demnach sinnvoll. Zunehmend wird Kontrolliertes Trinken als Behandlungsziel untersucht, bei welchem ein risikoarmer Konsum angestrebt wird.

Die kürzlich von Henssler und Kollegen (2021) veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit verglich erstmals metaanalytisch die beiden Behandlungsparadigmen hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit, zumindest risikoarmes Trinken zu erreichen. Den vorab festgelegten Einschlusskriterien entsprachen 22 Studien aus einem Zeitraum von 1973 bis 2017 mit einer Gesamtzahl von 4204 Studienteilnehmern. In der Analyse der randomisiert kontrollierten Studien zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Therapieansätzen (Odds Ratio 1,32; 95 %-CI: 0,51–3,39 [mit Odds Ratio > 1 = numerischer Vorteil für Kontrolliertes Trinken]), wohingegen die Auswertung der nicht-randomisierten Studien mit freier Wahl des Therapieziels durch die Betroffenen eine statistische Überlegenheit des abstinenzorientierten Ansatzes ergab (OR 0,60; 0,40–0,90). Bei externer nicht-randomisierter Vorgabe des Behandlungsziels zeigte sich wiederum kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Paradigmen.

Auch wenn Abstinenz unumstritten das medizinisch sinnvollere Behandlungsziel ist, könnte, wenn der abstinenzorientierte Ansatz nicht möglich ist, Kontrolliertes Trinken als Alternative oder zumindest als Zwischenziel der Behandlung genutzt werden, um zukünftig mehr Betroffene zu erreichen.

Alcohol Dependence: Therapy Goals Abstinence versus Controlled Drinking. Meta-Analytical Insights and Practical Conclusions

In hardly any other mental illness the number of those affected and the number of those receiving treatment are so far apart as in the case of alcohol use disorder. The traditional focus on abstinence as the treatment goal could be one reason for this treatment gap – scientific evaluation of new treatment approaches is wise. Therefore, controlled drinking, in which low-risk consumption is aimed, is increasingly being studied as a treatment goal.

Henssler and colleagues (2021) recently published the first systematical meta-analysis comparing these two treatment paradigms in terms of their likelihood of achieving at least low-risk drinking. 22 studies from a period from 1973 to 2017 with a total of 4204 study participants met the predefined inclusion criteria. The analysis of the randomized controlled studies showed no significant difference between the two treatment approaches (odds ratio 1.32; 95 %-CI: 0.51–3.39 [with odds ratio > 1 = numerical advantage of controlled drinking]), whereas the evaluation of the non-randomized studies with free choice of the therapy goal by the individual showed a statistical superiority of the abstinence-oriented approach (OR 0.60; 0.40–0.90). If the treatment goal was externally determined (non-randomly), there was no significant difference between the two paradigms.

Abstinence is undisputedly the medically more appropriate treatment goal. If the abstinence-oriented approach is not applicable, controlled drinking could be used as an alternative or at least as an intermediate goal of treatment in order to reach more affected people in the future.

Zitierweise:

Kleemann AM, Bschor T (2023). Alkoholabhängigkeit: Therapieziel Abstinenz versus Kontrolliertes Trinken. Metaanalytische Erkenntnisse und praktische Schlussfolgerungen. Suchtmedizin 25(4): 219–224

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