Impfungen bei Immunsupprimierten

W. Jilg

Auszug aus Der Impfkurs:

Fallbespiele: Welche Impfungen sind bei Immunsupprimierten möglich?

a) Ein 37-jähriger Patient steht wegen eines Seminoms unter Chemotherapie. Er kommt im Oktober zu Ihnen mit der Frage, ob er sich gegen Influenza impfen lassen könne.

  • Ist die Impfung indiziert? Führen Sie die Impfung gegebenenfalls durch?


b) Ein 22-jähriger Student benötigt wegen einer 8-wöchigen Reise durch Zentralafrika eine Gelbfieberimpfung. Er ist Asthmatiker und benutzt seit 4 Monaten 2 × täglich ein kortikoidhaltiges Asthmaspray.

  • Führen Sie die Gelbfieberimpfung (Lebendimpfung!) durch?


c) Bei einem 26-jährigen, homosexuellen jungen Mann wird eine HIV-Infektion festgestellt. Er ist gegenwärtig gesund, die Lymphozyten liegen im unteren Normbereich, die Viruslast beträgt 2 × 102 Viruspartikel/ml. Bei der Erfassung seines Impfstatus stellt sich heraus, dass er nicht gegen Hepatitis B geimpft ist und keine Antikörper gegen Varizellen aufweist. Er betreut als Sportlehrer auch mehrere Kindergruppen und sollte daher auch einen Impfschutz vor Varizellen haben.

  • Können bei dem jungen Mann die Hepatitis-B- und die Varizellenimpfung durchgeführt werden?


Immunsupprimierte sind besonders anfällig gegenüber Infektionen, ein Impfschutz ist für sie also besonders wichtig. Andererseits sprechen sie schlechter auf Impfungen an, und nicht alle Impfungen dürfen bei ihnen durchgeführt werden. Wenn immer möglich, sollten diese Menschen also geimpft werden, bevor ein Immundefekt auftritt (also z.B. vor einer immunsuppressiven Therapie).

Bei Vorliegen eines primären (angeborenen) Immundefektes sind alle Lebendimpfungen
kontraindiziert. Inaktivierte Impfstoffe können dagegen ohne Risiko verabreicht werden, sind allerdings häufig wirkungslos. Ein IgA- oder IgG-Subklassenmangel stellt dagegen keine Kontraindikation gegen Impfungen mit Tot- oder Lebendimpfstoffen dar.

Patienten, die zytostatisch oder immunsuppressiv behandelt werden, dürfen ebenfalls keine Lebendimpfstoffe erhalten. Totimpfstoffe sind zwar einsetzbar,führen aber bei Immunsupprimierten häufig zu einem eingeschränkten Impferfolg.

Serologische Kontrollen sind daher in diesen Fällen angezeigt. Mit einer Normalisierung der immunologischen Funktionen ist etwa sechs Monate nach Absetzen einer zytostatischen oder immunsuppressiven Therapie zu rechnen.

Eine länger als 14 Tage andauernde hoch dosierte Kortikosteroidtherapie ist ebenfalls immunsuppressiv. Lebendimpfstoffe sind daher kontraindiziert, Totimpfstoffe meist wirkungslos. Eine niedrig dosierte Therapie mit Kortikosteroiden (≤ 20 mg Prednisolonäquivalent/Tag bei Erwachsenen) sowie ihre topische oder inhalative Anwendung stellen dagegen kein Hindernis für die Durchführung von Impfungen mit Lebend- oder Totimpfstoffen dar.

HIV-Infizierte tragen ein hohes Risiko für viele impfpräventable Erkrankungen. Notwendige Impfungen sollten daher so früh wie möglich durchgeführt werden, solange die Immunfunktion noch relativ gut ist. Totimpfstoffe sind unbedenklich, ihre Wirkung ist abhängig vom individuellen Immunstatus. Lebendimpfungen können eingesetzt werden, solange noch eine ausreichende T-Zellfunktion vorhanden ist (für die Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln muss die Zahl der CD4-positiven-Lymphozyten über 200/μl, bei Kindern unter fünf Jahren über 500/μl liegen, für die Varizellenimpfung wird eine CD4-Lymphozytenzahl von wenigstens 25 % der Gesamtlymphozytenzahl gefordert). Einzig die BCG-Impfung ist bei allen HIV-Infizierten kontraindiziert.

Diskussion der Fallbeispiele a-c: Welche Impfungen sind bei Immunsupprimierten möglich?

a) Die Influenzaimpfung ist für Menschen mit chronischen Grunderkrankungen indiziert, dazu gehören auch Menschen mit temporärer oder dauernder Immuninsuffizienz.
Die Impfung sollte also durchgeführt werden, allerdings muss der Patient darüber aufgeklärt werden, dass sie aufgrund seiner immunsuppressiven Therapie möglicherweise nicht angeht. Eine Gefährdung besteht für ihn durch einen Totimpfstoff nicht.

b) Lebendimpfungen sind bei Menschen unter Immunsuppression kontraindiziert. Eine inhalative Kortikoidtherapie spricht aber ebenso wenig wie eine topische Therapie gegen eine Lebendimpfung, weil es dadurch zu keiner Immunsuppression kommt.

c) HIV-Patienten mit schwerer Immunsuppression dürfen keine Lebendimpfungen erhalten, Totimpfstoffe sind u.U. wirkungslos. Der Patient in unserem Beispiel ist aber momentan noch immunkompetent, deshalb können (und sollen!) beide Impfungen mit guter Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden.

 

Zitierweise:
Jilg W (2018): Impfungen bei Immunsupprimierten. In: Der Impfkurs - Eine Anleitung zum richtigen Impfen. 4., überarbeitete Auflage, ecomed Medizin, Landsberg

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