Klinische Bleivergiftungen durch Trinkwasser – historische Fallhäufungen im deutschsprachigen Raum

B.P. Zietz

Abstract aus dem Handbuch der Umweltmedizin:

Schon seit der Antike wurde das toxische Metall Blei auch als Material für Trinkwasserleitungen verwendet. Im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es regelmäßig Beschreibungen von klinischen Bleivergiftungen durch Trinkwasser, welches durch Bleirohre geleitet worden war. Die größten dokumentierten Fallhäufungen im deutschsprachigen Raum ereigneten sich in Dessau in den Jahren 1886/1887 und in Leipzig 1930. Über weitere Fallhäufungen wurde insbesondere berichtet für Calau (1888), Clausthal-Zellerfeld (1929), Diepholz und Umgebung (1886–1905), Emden (1897), Görlitz (1911), Nordseeinsel Helgoland (bis 1935), Krossen an der Oder (1888), Naunhof (1913), Offenbach a. Main (1884), Teplitz-Schönau (1903), Varel (bis 1877), Wilhelmshaven (1886) sowie verschiedene weitere nicht genau angegebene Orte. Bei den Betroffenen zeigten sich Symptome wie Bleikoliken und andere gastrointestinale Symptome, Blässe, Abgeschlagenheit, Ausbildung eines Bleisaumes am Zahnfleisch und in einigen Fällen auch neurologische Symptome, wie periphere Lähmungen.

Neben dem Vorhandensein von Bleirohren bei Hausanschlüssen oder Hausinstallationen traten aus Sicht der  damaligen Untersucher weitere physikalisch-chemische Bedingungen bei den Fallhäufungen hinzu. Fast immer handelte es sich um weiche oder sehr weiche Wässer. Zusätzlich wurden jeweils noch ein oder mehrere weitere hinzutretende Faktoren, wie Vorhandensein von viel freier Kohlensäure oder Huminsäuren, Luft/Sauerstoff im Leitungssystem, große Länge der Bleileitungen, Leitungsneubau, lange Stagnationszeiten oder Änderungen der Wasserchemie, mit den Vergiftungen in Zusammenhang
gebracht. In den Fällen, wo Blei im Leitungswasser gemessen worden war, zeigten sich in Stagnationsproben häufig Konzentrationen im einstelligen, teilweise sogar im zweistelligen Milligramm-Bereich pro Liter (meist kolorimetrische Bestimmung mitH2S). Durch moderne Wasseraufbereitung und Wasserverteilung liegen die heutzutage gemessenen Bleikonzentrationen im Leitungswasser auch bei Vorliegen von Bleirohren meist weit unter den historisch beobachteten Messwerten. Schon seit dem 18. Jahrhundert gab es eine teils kontrovers geführte Diskussion über die gesundheitliche Einschätzung der Verwendung von Bleileitungen für die Trinkwassernutzung, ggf. notwendige Umstände und die möglichen akzeptablen Bleiwerte. Entsprechend der TrinkwV wurde der Bleigrenzwert im Trinkwasser in Deutschland zum 1. Dezember 2013 auf 10 µg/l gesenkt.

Zitierweise:
Zietz BP (2015). Klinische Bleivergiftungen durch Trinkwasser – historische Fallhäufungen im deutschsprachigen Raum. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg): Handbuch der Umweltmedizin, Kap. VIII-3.1, 55. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg

Wichmann / Fromme / Zeeb

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