Nanopartikel und Ultrafeine Partikel

O. Schmid, T. Stoeger, H.E. Wichmann

Abstract aus dem Handbuch der Umweltmedizin:

Quellen und Exposition

Ultrafeine Partikel (UFP) oder Ultrafeinstaub sind Umweltaerosole mit einem Durchmesser von weniger als  100 nm. Sie werden durch natürliche Prozesse wie Vulkanausbrüche freigesetzt, besonders wichtig sind aber die Beiträge aus Verbrennungsprozessen vor allem aus Verkehr (speziell von Dieselfahrzeugen), Heizung und Industrie. Obwohl der Massenanteil von Ultrafeinstaub im Umweltaerosol zumeist nur gering ist (< 10 %), gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass gerade der Ultrafeinstaub gesundheitlich besonders relevant sein könnte. Diese Annahme ist insbesondere begründet durch die hohe alveolare Depositionseffizienz dieser Partikelfraktion, ihrer große spezifische Oberfläche und damit Reaktivität, und der Tatsache, dass Nanopartikel praktisch von allen Zelltypen, mit denen sie in Berührung kommen, aufgenommen werden und damit reagieren können.

In den vergangenen Jahren haben sowohl der Umsatz als auch die Vielfalt der industriell erzeugten Nanomaterialien, die als Nanostaub oder Nanopartikel freigesetzt werden können, stark zugenommen. Diese dynamische Entwicklung ist bedingt durch die besonderen physikalisch-chemischen Eigenschaften von Nanomaterialien, die jedoch auch zu einer erhöhten Toxizität führen könnten. Von besonderer Relevanz sind hierbei biopersistente Materialien, wie Metalle, Metalloxide und Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die – einmal aufgenommen – über einen langen Zeitraum im Körper verweilen können. Die Inhalation von Nanostaub (Nanopartikeln) wird derzeit als wichtigster Expositionsweg am Arbeitsplatz angesehen, da ihr Beitrag zum Umweltaerosol derzeit noch gering ist. In Betrieben, in denen Nanomaterialien hergestellt, verarbeitet, verpackt oder recycelt werden, kann jedoch die Gefahr bestehen, dass Nanostaub freigesetzt und über die Atemwege aufgenommen werden und dann evtl. im Alveolarbereich der Lunge akkumulieren.

Experimentelle Untersuchungen

Nach Inhalation von Ultrafein- oder Nanostaub wurden in tierexperimentellen Untersuchungen dosisabhängige pulmonale Entzündungsreaktionen, kardiovaskuläre Effekte und immunmodulatorische Effekte beobachtet, aber auch Lungenfibrose und Lungentumorbildung sind als Folge einer chronischen Staubexposition für bestimmte Materialien beschrieben. Diese Untersuchungen zeigten, dass in Körperflüssigkeiten nicht oder schwer lösliche Materialien zumeist eine geringe Toxizität aufweisen, die allerdings mit abnehmender Größe der Partikel zunimmt, wenn Masse als Dosismetrik gewählt wird. Diese Größenabhängigkeit existiert jedoch nicht, wenn die Oberflächen- anstatt der Massendosis betrachtet wird. Diese erscheint logisch, wenn man bedenkt, dass bei biopersistenten Materialien nur die Oberfläche physiologischwechselwirken kann, während bei den aus der klassischen Toxikologie bekannten löslichen Materialien die gesamte Stoffmenge (Masse) mit dem Organismus interagieren kann. Unter Berücksichtigung dieses Oberflächen-Zusammenhanges ergibt sich somit keine generelle Zunahme der Toxizität im Nanobereich. Allerdings können auch andere Faktoren einen Einfluss auf die Toxizität haben. Es wurde zum Beispiel eine erhöhte oberflächenspezifische Toxizität für nanoskalige Partikel aus Übergangsmetallen beobachtet. Auch für faserartige Nanomaterialien (z. B. Kohlenstoff-Nanoröhrchen) ist von einer erhöhten Gesundheitsgefährdung auszugehen, falls diese lang (> 5 µm), steif und biopersistent sind. Diese Einschätzungen basieren alle auf tierexperimentellen Daten. Humanstudien haben zwar Hinweise, aber noch keine eindeutigen Belege für eine Gesundheitsgefährdung durch industriell erzeugte Nanomaterialien (Nanopartikel) geliefert.

Epidemiologische Studien

Im Gegensatz zu Untersuchungen zu gesundheitlichen Auswirkungen der Partikelmasse von Feinstaub und Grobstaub (PM2.5 und PM10) liegt nur eine begrenzte Zahl epidemiologischer Studien zu ultrafeinen PartiPartikeln vor. Hierbei wurden Zusammenhänge zwischen der UFP-Belastung in der Umwelt und dem Anstieg der Mortalität gefunden, sowie Auswirkungen auf Lunge und Herz-Kreislauf-System beschrieben, die aber kausal nicht immer eindeutig den UFP zugeordnet werden können. Derzeit ist die epidemiologische Evidenz daher unzureichend, um eine Expositions-Wirkungs-Beziehung für UFP abzuleiten. Zu Nanomaterialien gibt es bisher nur eine geringe Zahl an epidemiologischen Kohortenstudien mit Arbeitern, die Nanomaterialien ausgesetzt waren. Diese Studien konnten keinen eindeutigen Beleg für eine Gesundheitsgefährdung durch Nanostaub liefern.

Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen

Gegenwärtig ist nach Ansicht der WHO keine Empfehlung für Leitwerte zu ultrafeinen Partikeln möglich. Grenzwerte gibt es nur in Form der europäischen Emissionsstandards Euro 5 und Euro 6 für die Partikelemission von Kraftfahrzeugen. Allgemein gültige Immissionsgrenzwerte für UFP bestehen nicht, und dies nicht zuletzt wegen der schlechten Reproduzierbarkeit von Umweltmessungen, welche die Immissionsüberwachung stark erschwert. Für Nanomaterialien empfiehlt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, die erforderlichen bereichsspezifischen Anpassungen in einem Rechtsakt zu bündeln.  Dieser sollte vor allem eine übergreifende Definition beinhalten, die Anwendung des Vorsorgeprinzips vorschreiben und eine Ermächtigungsgrundlage für vorsorgeorientierte Einzelmaßnahmen bieten. Ferner wird die Schließung nanospezifischer Regelungslücken ebenso gefordert wie Kennzeichnung und Produktregister, Reformen im Stoffrecht, Produktrecht und Umweltrecht. Wegen des hohen Expositionsrisikos an Arbeitsplätzen, an denen mit frei dispergierbarenNanomaterialien (also Nanomaterialien, die nicht in Produkte oder Komponenten eines Produkts eingebunden sind)  umgegangen wird, sollten die Arbeitsplatzgrenzwerte abgesenkt werden. Dies gilt insbesondere für  Materialien, die als besonders risikobehaftet eingestuft werden (z. B. faserartige Nanomaterialien oder Nanomaterialien, die reaktive Übergangsmetalle enthalten).

Zitierweise:
Schmid O, Stoeger T, Wichmann HE (2015). Nanopartikel und Ultrafeine Partikel. In: Wichmann HE, Fromme H (Hrsg): Handbuch der Umweltmedizin, Kap. VI-2, 54. Erg.Lfg., ecomed Medizin, Landsberg

Wichmann / Fromme / Zeeb

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