Psychische Ausnahmezustände - Notfallmedizinische Betreuung

Ein psychischer Notfall liegt vor, wenn das akute Auftreten oder die Exazerbation einer bestehenden psychiatrischen Störung zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit des Betroffenen und/oder seiner Umgebung führt.

Zu den häufigsten Situationen gehören

  • alkohol- und drogenassoziierte Störungen
  • Delir
  • Erregungszustände und
  • Suizidhandlungen.

Zu den Leitsymptomen gehören Störungen des Bewusstseins, des
Antriebs und der Stimmung.

Erregungszustand

Die Ursachen eines Erregungszustandes können vielfältig sein. Häufig sind es endogene Psychosen.

Prodromalsymptome sind meist nicht erkennbar, weshalb es zum plötzlichen Auftreten kommen kann. Das Symptombild ist geprägt durch eine Steigerung des Antriebs und der Psychomotorik, einer affektiven Enthemmung und einem Kontrollverlust. Dies äußert sich in einem Bewegungsdrang bis zum Bewegungssturm mit Schreien, Schlagen und Toben. Eine Aggressivität kann sich gegen sich selbst oder auch gegen andere richten. Weitere Zeichen können sein: wirres Reden, Gedankensprünge, Wahnideen
oder Halluzinationen. Es kann zum Wechsel von Ruhe- und Erregungsphasen kommen.

Die Therapie besteht zunächst im Versuch, die Situation zu beruhigen durch Eingehen auf den Patienten durch ein sachliches, beruhigendes Gespräch („talk down“).

Die Patienten fühlen sich nicht krank und sind deshalb meist uneinsichtig. Falls der erste Beruhigungsversuch zu keinem Erfolg führt, ist der Rettungsdienst und evtl. die Polizei zu alarmieren.

Eine pharmakologische Sedierung wird kaum durch den erstbehandelnden Arzt möglich sein, sondern nur durch den Rettungsdienst. Hierbei kommen dann bevorzugt Neuroleptika zum Einsatz. Ist die Ursache eine Alkoholintoxikation, ist das Mittel der Wahl Haloperidol. Eine Fixierung, um die Therapie durchzuführen ist – sofern erforderlich – ausschließlich Aufgabe der Polizei.

Delir

Das Delir ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern kann im Rahmen vielfältiger anderer Erkrankungen auftreten. Am häufigsten findet man das Delir bei Intoxikationen und hier speziell bei der Alkoholkrankheit.

Gekennzeichnet ist das neurologisch-psychiatrische Syndrom durch vegetative Symptomatik: visionäre Verkennung, Halluzination und Bewusstseinsstörung. Häufig sind auch anfänglich Krampfanfälle, Nestelbewegungen, Tremor, optische Verkennungen (weiße Mäuse, Spinnen u. Ä.), sowie Suggestibilität hinweisend.

Beruhigendes Auftreten und reizarme Umgebung sind überbrückend bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes sinnvoll – eine stationäre Einweisung sollte bei einem Delir-Patienten unbedingt erfolgen.

Bei starker psychomotorischer Unruhe kann eine medikamentöse Sedierung mit Haloperidol und bei Krämpfen mit Benzodiazepinen versucht werden. Eine Zwangseinweisung ist nur mithilfe der Polizei (nach den jeweiligen landesspezifischen Unterbringungs- oder Verwahrungsgesetzen) möglich.

Suizidalität

Die Suizidalität ist ein Syndrom einer körperlichen und/oder seelischen Erkrankung wie Depression oder Psychosen, das allerdings auch bei Gesunden in scheinbar ausweglosen Konfliktsituationen auftreten kann.

Zu unterscheiden ist eine vollzogene suizidale Handlung von einer sich anbahnenden akuten Suizidalität. Die akute Suizidalität ist gekennzeichnet durch eine depressive Verstimmung, Versagensängste,
Gefühle von Hoffnungs- und Ausweglosigkeit mit einem inneren Leeregefühl und Denkzentrierung auf negative Inhalte.

In einem offenen Gespräch sollte versucht werden, eine Beziehung aufzubauen, ohne Moralisierung. Sofern keine Entdynamisierung erreicht werden kann, muss der Patient bei weiterhin bestehender oder nicht auszuschließender Suizidalität – notfalls gegen seinen Willen – nach Schaffung einer Rechtsgrundlage in eine Klinik eingewiesen werden.

Pharmakotherapeutisch kommen bei der akuten Suizidalität Benzodiazepine in Frage.

Anpassungsstörung

Sofern ein Individuum eine Lebensveränderung nicht adäquat verarbeitet und sich deshalb einer für ihn nicht zu bewältigenden Lebenseinengung ausgesetzt sieht, kann es zu einer Krise kommen.

Ein Eingehen auf den Patienten im Sinne einer Krisenintervention mit Klärung der psychosozialen Situation und Verweis auf eine psychiatrische Therapie sind die entsprechenden Maßnahmen. Nur bei nicht auszuschließender Eigen- und Fremdgefährdung ist eine unmittelbare Einweisung notwendig.

Panikstörung

Bei Panikstörungen handelt es sich um ein akutes Schreck- und Angstsyndrom, das bei unvermittelten, überstandenen Erlebnisreizen auftreten und zu einem allgemeinen Bewegungssturm führen kann.

Eine Panikattacke ist durch abrupten Beginn mit Höhepunkt innerhalb weniger Minuten und Auftreten intensiver Angst gekennzeichnet. Dabei treten 4 Symptome auf:

Vegetative Symptome

  • Schweißausbruch
  • Herzklopfen
  • Tachykardie
  • Tremor und Mundtrockenheit

Psychische Symptome

  • Schwindel
  • Unsicherheit
  • Angst vor Kontrollverlust
  • Todesangst

Organbezogene Symptome

  • Atembeschwerden
  • thorakales Beklemmungsgefühl
  • Thoraxschmerzen, thorokale und abdominelle Missempfindungen

Allgemeine Symptome

  • Hitzewallungen
  • Kribbelgefühl
  • Gefühllosigkeit.

Auch in diesem Fall sind ein beruhigendes Gespräch und eine Verweisung auf eine mögliche psychopharmakologische Therapie indiziert.

Übersicht der psychischen Ausnahmezustände:

 Erkrankung Symptome
Therapie
 Erregungszustand
  • affektive Enthemmung, Kontrollverlust, Bewegungsdrang
  • Wahnideen, Halluzinationen
  • Wechsel von Ruhe- und Erregungsphasen
  • Bewegungssturm mit Schreien, Schlagen und Toben, Aggressivität
  • wirres Reden, Gedankensprünge
  • Patient beruhigen („talk down“)
  • ggf. die Polizei alarmieren
  • Sedierung durch Neuroleptika
  • falls Alkoholintoxikation: Haloperidol
  • ggf. Fixierung durch Polizei
 Delir
  • visionäre Verkennung, Halluzination (weiße
  • Mäuse, Spinnen u.Ä.)
  • Bewusstseinsstörung, Krampfanfälle
  • Nestelbewegungen, Tremor
  • Suggestibilität
  • Patient beruhigen („talk down“)
  • reizarme Umgebung
  • stationäre Einweisung
  • bei starker psychomotorischer Unruhe: Sedierung mit Haloperidol
  • bei Krämpfen: Benzodiazepine
  • Zwangseinweisung nur mithilfe der Polizei
 Suizidalität
  • depressive Verstimmung
  • Versagensängste
  • Gefühle von Hoffnungs- und Ausweglosigkeit
  • inneres Leeregefühl
  • Denkzentrierung auf negative Inhalte
  • Beziehung aufbauen ohne Moralisierung
  • falls keine Entdynamisierung: Einweisung in Klinik
  • Benzodiazepine
 Anpassungsstörung
  • eine für den Patienten nicht zu bewältigende Lebenssituation
  • Eingehen auf den Patienten
  • Klärung der psychosozialen Situation
  • Verweis auf eine psychiatrische Therapie
  • bei nicht auszuschließender Eigen- und Fremdgefährdung: Einweisung
Paniksyndrom
  • Schweißausbruch, Herzklopfen, Tachykardie, Tremor, Mundtrockenheit
  • Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit, Angst vor Kontrollverlust, Todesangst
  • Atembeschwerden, thorakales Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen, thorakale und abdominelle Missempfindungen
  • Hitzewallungen, Kribbelgefühl, Gefühllosigkeit
  • beruhigendes Gespräch
  • psychopharmakologische Therapie

 

Zitierweise:
Sefrin P (2018): Notfallmedizin. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, ecomed Medizin, Landsberg

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