A. Chasklowicz, H.-J. Weber
Fallbeispiel:
Der Arzt A stellt beim Patienten P eine Alkoholabhängigkeit/Drogenabhängigkeit fest. Bei Patient D stellt er eine Epilepsie mit Anfallsneigung fest. Patient E verschreibt er Medikamente, die ihn bei Einnahme ungeeignet zur Teilnahme am Straßenverkehr machen.
Alle drei Patienten geben an, trotz der Einschränkungen nach wie vor am Straßenverkehr teilzunehmen. Muss bzw. darf A diese Umstände der zuständigen Verkehrsbehörde mitteilen?
Bei allen drei Patienten hat A das Recht, den Umstand der verkehrsrechtlichen Ungeeignetheit
der Verkehrsbehörde mitzuteilen.
Im Fall von Patient E dürfte A zur Mitteilung an die Verkehrsbehörde sogar verpflichtet sein, mit der Folge, dass er bei Nichtmitteilung für einen von E verursachten Unfall mitverantwortlich ist und sowohl zivil- als auch strafrechtlich haftet. In diesem Fall hat A nämlich anders als bei P und D durch sein Handeln selbst pflichtwidrig einen gefahrerhöhenden Umstand geschaffen, indem er E die Medikamente verschrieb, obwohl dieser angab, trotzdem am Straßenverkehr teilzunehmen. Die Einzelheiten sind hier umstritten. Um einer Haftung jedoch sicher zu entgehen, sollte A in solchen Fällen entweder die Medikamente nicht verschreiben oder dann die zuständigen Stellen sofort informieren.
Im Rahmen der Behandlung wird ein Arzt immer wieder einmal Umstände bei seinem Patienten feststellen, die diesen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erscheinen lassen. Es stellt sich dann die Frage, ob der Arzt in dieser Situation die Verkehrsbehörden über den Befund informieren darf, wenn der Patient ihn nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbindet. Besondere Aufmerksamkeit hat diese Fragestellung nach dem Flugzeugunglück in den französischen Alpen erfahren.
Der Bundesgerichtshof hat bereits in einem Urteil vom 08.10.1968, Az.: VI ZR 168/67 entschieden, dass in Fällen, in denen sich der Befund oder ein verschriebenes Medikament ernsthaft auf die Verkehrstüchtigkeit des Patienten auswirken und dieser trotz entsprechender Aufklärungs- und Überzeugungsbemühungen des Arztes uneinsichtig ist und weiter am Straßenverkehr teilnehmen will, die Verkehrsbehörde durch den Arzt informiert werden darf.
Der Arzt ist also zur Mitteilung an die Verkehrsbehörde berechtigt. Er ist dabei auf dasjenige beschränkt, was zur Abwendung der Gefahr unbedingt nötig ist. In der Regel wird dafür die Angabe genügen, dass er konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass sein Patient nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Eine Mitteilung der einzelnen Befunde wird für gewöhnlich nicht notwendig sein und ist daher vom Rechtfertigungsgrund nicht gedeckt. Eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht indes für den Arzt richtigerweise nicht, soweit er an der Gefährdungslage nicht mitgewirkt hat.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, weswegen nach dem Flugzeugunglück in den französischen Alpen eine Lockerung der Schweigepflicht diskutiert wurde. Schon nach geltender Rechtslage ist der Arzt zur Information der Sicherheitsbehörden bei Zweifeln an der Geeignetheit des Kapitäns berechtigt.
Zitierweise:
Chasklowicz A, Weber H-J (2017): Schweigepflicht gegenüber den Verkehrsbehörden bei Feststellung fahreignungsrelevanter Beeinträchtigungen des Patienten. In: Chasklowicz A, Schroeder-Printzen J, Spyra G, Weber HJ: Ärztliche Schweigepflicht und Schutz der Daten, ecomed Medizin, Landsberg
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